Branding I: Branding ist Strategie

Beim Branding geht es nicht nur um einen Namen und ein schönes Logo - zumindest sollte es das nicht sein.
Viele Gründer glauben, dass es beim Branding in erster Linie darum geht, einen einprägsamen Namen zu wählen und Farben und Schriftarten auszuwählen. Aber echtes Branding geht tiefer - es ist ein strategischer Prozess, der, wenn er richtig gemacht wird, Ausrichtung, Zweck und Klarheit für das gesamte Unternehmen schafft.
Also zunächst einen Schritt zurück: Bevor wir uns mit Logos und Formen beschäftigen, sollten wir über Strategie sprechen.
Strategie zuerst, immer
Wenn man gerade erst anfängt, ergibt sich oft alles wie von selbst. Ihr kennt euer Produkt, eure Kunden, euren Markt. Vielleicht hat jemand in deinem Team ein gutes Auge für Design, und du findest ein Logo und einen Namen, die genau richtig sind - für den Moment.
Aber diese frühe Abstimmung ist oft eine Illusion.
Wenn Euer Unternehmen wächst, wenn das Team größer werden, sich Kundensegmente diversifizieren, kann Eure Geschichte unscharf werden. Was sich einst instinktiv richtig anfühlte, fühlt sich auf einmal holprig an. Und das ist der Moment, in dem Branding mehr als ein Designprojekt ist - und zu einer strategischen Notwendigkeit wird.
Ich habe das auf die harte Tour gelernt.
Ein Fehler beim Branding (und was wir daraus gelernt haben)
Als wir uns von Labfolder in Labforward umbenannten, dachten wir, wir bräuchten nur neue Namen und Logos, die zu unserem wachsenden Produktportfolio passen. Wir heuerten Freelance-Designer an und stürzten uns direkt in die Ästhetik.
Ich glaube, wir haben zwei oder drei Designer verheizt. Wir haben Logos bekommen. Wir bekamen Farben, aber wir bekamen keine Marke.
Schließlich wandten wir uns an den Branding-Experten Florian Caspers. Und das war der Zeitpunkt, an dem der Prozess eine scharfe Wendung nahm - weg vom Visuellen und hin zur Strategie: Keine Farben. Keine Formen. Nur Fragen.
Wir befragten mehr als 20 Stakeholder - Kunden, Partner, interne Teammitglieder. Wir stimmten verschiedene Wahrnehmungen der Marke ab, definierten Werte und klärten unsere Mission, Vision, unseren “Purpose”. Erst nach wochenlanger Vorarbeit und zwei Workshops konnten wir die ersten visuellen Entwürfe sehen.
Aber als wir sie sahen, war klar, dass wir auf dem richtigen Weg waren.
Jedes Bild hatte eine strategische Grundlage. Jede Designentscheidung konnte sinnvoll diskutiert werden - weil sie auf einem gemeinsamen Verständnis beruhte.
Der BMW-Moment
Ein Moment ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Florian erzählte eine Geschichte über den internen Markenkonflikt von BMW: Jahrzehntelang war die "Freude am Fahren" die Identität der Marke. Mit dem Aufkommen des autonomen Fahrens kam es jedoch zu internen Spannungen und verschiedenen Wahrnehmungen der Markenbotschaft: Innovationsteams drängten auf eine Zukunft ohne Lenkrad. Das Marketing hielt an der emotionalen Verbindung zum Autofahren fest.
Zwei starke Visionen - aber sie konnten nicht nebeneinander bestehen.
Obwohl wir natürlich nicht BMW waren, hatten wir eine ähnliche, interne Spannung: Wir hatten ein anderes Unternehmen übernommen, hatten in neue Märkte expandiert und ein diverses Team aufgebaut. Die eine Geschichte, die ich im Kopf hatte, war nicht mehr die einzige. Verschiedene Leute sahen verschiedene Dinge in dem Unternehmen.
Der strategische Branding-Prozess mit Florian Caspers hat uns geholfen, sie alle zusammenzubringen.
Wie man von Anfang an richtiges Branding macht
Wenn man sich noch in der Anfangsphase befindet, muss man nicht gleich eine Branding-Agentur einschalten. Vieles kann man selbst tun. Vor allem, wenn man strukturiert vorgeht. Der Schlüssel ist, mit strategischer Klarheit zu beginnen - nicht mit Ästhetik.
Hier sind einige der grundlegenden Elemente, die ihr entwickeln solltet, bevor ihr über Ihre visuelle Identität nachdenkt. In meinem Branding Kit (hier zum runterladen für TFLR-Mitglieder) findet ihr Vorlagen und Arbeitsblätter, die euch bei den einzelnen Schritten unterstützen.
Mission & Vision
Eure Mission definiert, was ihr tut und warum ihr existiert. Eure Vision ist eine Aussage darüber, wo ihr euch in Zukunft seht - und welchen Einfluss ihr auf eure Branche oder die Welt haben wollt.
Zusammen bilden sie die Grundlage für eure Geschichte und Entscheidungsfindung. Ihr helft auch externen Partnern - Designern, Marketing-Experten und sogar potenziellen Mitarbeitern - zu verstehen, was ihr erreichen wollt.
In meinem Branding-Toolkit findet Ihr ein Arbeitsblatt, das euch helfen kann, diese Fragen in handhabbare Teile zu unterteilen: Welches Problem lösen wir? Was ist unser einzigartiger Ansatz? Ihr könnt diese Fragen auch an die genAI eurer Wahl geben, um technologiegestützt mit ihr zu reflektieren. Und wenn ihr den Fragebogen ausgefüllt habt, könnt ihr ihn an die KI zurückgeben, um kürzere Mission & Vision-Statements, Unternehmensdarstellungen und mehr zu generieren.
Personas & ICPs
Personas und Ideale Kundenprofile (Ideal Customer Profiles, ICPs) helfen euch zu verstehen und zu definieren, für wen eure Marke eigentlich gedacht ist.
ICPs beschreiben die Arten von Organisationen, die am meisten von eurem Angebot profitieren. Personas erwecken diese Nutzer/innen oder Kunden zum Leben - einschließlich ihrer Beweggründe, ihres Sprachgebrauchs, ihrer täglichen Routinen und ihrer Herausforderungen. Im B2B-Bereich braucht man ICPs und vielleicht ein paar Personas, um zu veranschaulichen, wer in diesen Organisationen mit deiner Marke in Kontakt kommt, im B2C-Bereich genügen Personas.
Diese Instrumente werden in der Produktentwicklung, im Vertrieb, im Marketing und in vielen anderen Bereichen eingesetzt. In diesem Artikel - und in dem dazugehörigen Arbeitsblatt - konzentriere ich mich insbesondere darauf, wie sie bei der Markenbildung helfen.
Wenn sich euer Team darüber einig ist, wer eure Zielgruppe ist, ist es viel einfacher, produktive Diskussionen über Namensgebung, Tonalität und visuelle Identität zu führen. Das im Branding Toolkit enthaltene Arbeitsblatt hilft bei dieser Abstimmung.
Werte
Eure Werte bestimmen, wie ihr arbeitet, wofür ihr steht und wie euer Team intern und extern interagiert. Sie beeinflussen die Kultur, die Führung und die Kommunikation und sind entscheidend für die Persönlichkeit eurer Marke.
Eine Übung, die ich oft empfehle, ist die Einteilung deiner Werte in drei Gruppen:
- Werte, die euch von anderen in eurem Umfeld unterscheiden
- Werte, die beschreiben, wie ihr arbeitet und zusammenarbeitet
- Werte, die für den Erfolg auf eurem Markt unerlässlich sind
Mit dem herunterladbaren Arbeitsblatt in meinem Branding-Kit biete ich eine Möglichkeit an, sich einige Werte herauszusuchen und zu priorisieren..
Der Goldene Kreis
Simon Sineks Golden Circle-Modell unterteilt den Kern deiner Marke in drei Elemente:
- Warum: Euer Zweck – über den Profit hinaus
- Wie: Eure Art, Werte zu schaffen
- Was: Euer Produkt oder eure Dienstleistung
Das Modell ist ein mächtiges Werkzeug, um die Essenz eurer Marke herauszuarbeiten und eine konsistente Geschichte zu entwickeln. Wenn ihr bereits eure Mission, Vision, Werte und Personas ausgearbeitet habt, bringt dieser Schritt alles zusammen.
Visuelle Eindrücke & Bildwelten
Sobald die strategische Grundlage steht, ist es an der Zeit, visuell zu denken. Aber fangt nicht direkt mit dem Logodesign an. Erstellt zunächst eine sogenannte „Bildwelt“ – eine visuelle Welt.
Hier geht es nicht um endgültige Entwürfe. Es geht darum, alles zu sammeln, was visuell Folgendes ausdrückt:
- Eure Mission und Vision
- Das Umfeld, in dem eure Kunden tätig sind
- Logos oder visuelle Eindrücke von Wettbewerbern und Partnern
- Beispiele für Stile und Stimmungen, die ihr bewundert
- visuelle Metaphern, die eure Werte oder Ziele ausdrücken
Betrachtet es als strategisches Moodboard. Es ist ein Bezugspunkt für jede zukünftige kreative Arbeit – und eine Möglichkeit, euer Team auf die visuelle Ausrichtung einzuschwören, bevor ihr einen Designer oder eine Agentur engagiert.
Fazit: Strategie, dann Identität
Zusammenfassend lässt sich sagen:
- Beim Branding geht es um ein gemeinsames Verständnis – innerhalb und außerhalb eures Unternehmens.
- Die strategische Ausrichtung steht an erster Stelle, die visuelle Identität an zweiter Stelle.
- Je mehr Klarheit ihr frühzeitig schafft, desto kohärenter und überzeugender wird eure Marke auf lange Sicht sein.
Wenn ihr euch auf diese Reise begebt, habe ich eine Reihe von Vorlagen und Arbeitsblättern zusammengestellt, die euch dabei helfen können, eure Gedanken zu strukturieren und den Prozess zu steuern. Sie stehen nach der Anmeldung zum Download zur Verfügung.
Im nächsten Teil dieser Serie werde ich untersuchen, wie ihr eurer Marke einen Charakter verleihen könnt – indem ihr das „Meer der Gleichheit“ analysiert.
