Das Pitch Deck - Euer erster Auftritt vor Investoren

Das Pitch Deck - Euer erster Auftritt vor Investoren

Material für Investoren #2: Das Pitch Deck ist das, was Investoren als erstes von eurem Unternehmen sehen, deshalb will ich es mal mit der Oberbekleidung vergleichen - und damit auch gleich darauf hinweisen: Mit “Oben hui, unten pfui” kommt man nicht weit, es kostet beim zweiten Schritt nur Zeit - lest einfach noch mal den ersten Teil der Serie ;-) Die Oberbekleidung ist nur so gut die Unterwäsche drunter. Und sowieso, nicht zeigt eure Fitness als Unternehmen wie der nackte Körper unter der Bekleidung. Also: Seid euch beim Erstellen des perfekten Pitch Decks bewusst, dass Investoren euch sowieso nackt machen, da helfen auch die hübschesten Folien nichts.

Ein Game Changer in meinen Anstrengungen, Pitch Deck nach Pitch Deck zu bauen war das eBook “Pitching Hacks: How to Pitch to Investors” von VentureHacks. Früher schon über eine einfache Suche nach “Pitching Hacks pdf” überall als Download zu haben, gibt es das kurze Werk, das man in ein paar Stunden einfach durch hat, jetzt offiziell umsonst. Auf den Ratschlägen in diesem Buch beruhen meine Tips, da sich aber das Buch hauptsächlich an Seed-Bedürfnisse sowie zum Pitchen von US Investoren richtet, die (anscheinend) mit weniger zufrieden sind als deutsche Investoren, kommen in meinem Falle noch Folien dazu bzw. werden etwas abgeändert.

Das perfekte Pitch Deck für Start-ups gibt es nicht, aber hier ist mein Vorschlag für ein sehr gutes Pitch Deck

Hier ist ein Beispiel für ein Pitch-Deck mit den Folien, die ich empfehlen würde. Es ist ein voll ausgearbeitetes Deck, das heißt, dass nicht alle Folien für Sie relevant sind, wenn ihr von Business Angeln oder für eine Seed-Runde Geld raised (siehe auch den Abschnitt "Welche Folien braucht man nun in welcher Phase?"). Das Deck ist mit Sicherheit nicht schön designed. Das war auch nicht beabsichtigt: Abgesehen davon, dass ich nicht die Zeit hatte, ein Deck zu bauen, das man sofort an Investoren senden könnte. Ich wollte das Beispieldeck auf die Botschaft jeder Folie, den beispielhaften Inhalt und das generelle Layout reduzieren.

Folie 1: Logo & Investor tagline. NewCorp. The Ultimate AI Assistant for Everything. Für die Tagline gilt: Aggressiv, buzzwordy, einfach. Keiner muss verstehen, worum es geht, nur fühlen: “Wow, das ist groß”.

Folie 2: Executive Summary. Eine Zusammenfassung von Vision, Produkt & Markt, Sales und Umsatz/Pipeline. Gerne auch in anderer Zusammenstellung oder anderem Fokus, z.B. bei einem Deep Tech Unternehmen: Vision, Produkt, Technischer Hintergrund, Sales. Relevant nur für Series A und spätere Runden, da erst dann das Pitch Deck so voluminös sein kann, dass man eine Zusammenfassung braucht.

Vorsicht vor Wartungsaufwand! Die Zahlen in der Executive Summary ändern sich teilweise von Monat zu Monat, mehr noch: Einige der Zahlen kommen vielleicht später nochmal im Detail vor, hier wollt ihr keine Inkonsistenzen. Daher: Am besten Zahlen mit den dynamischen Originaldaten verknüpfen, s.a. Kapitel Exkurs 2: Formalien, Tips & Tricks.

Folie 3: Das Problem. “Pro Online-Bestellung verliert der Händler 5% Marge an Aufwand mit der Abwicklung. Bei einem durchschnittlichen Warenkorb von X€ und Absatz von Y Stück sind das Z€ pro Jahr” [setze ein: Nachvollziehbare Zahlen, die einem wahnsinnig großen, problematischen Wert erzeugen]”. Als Hintergrundbild etwas, was dieses Problem oder wie die Betroffenen dabei fühlen, emotional untermalt. Beispiel: der Onlinehändler, der verzweifelt seinen Kopf in den Armen vergräbt.

Folie 4: The Solution. Das ist jetzt EURE Folie. Hier wird das Produkt vorgestellt und beschrieben, wie es das Problem löst. Bilder: Am besten euer Produkt (Screenshots, etc.) und glückliche Nutzer. Wenn das Produkt noch nicht da ist, sollte die Produktidee dargestellt werden: Mock-ups, Entwürfe oder Schlüssel-Forschungsergebnisse (z.B. bei Biotech Startups) sollten gut aufbereitet und verständlich dargestellt werden. Als Anleitung kann vielleicht gelten, dass diese Folie global anwendbar sein sollte, d.h. auch in anderen Präsentationen, ob nun gegenüber Kunden (die zum Beispiel das Problem schon kennen, weil sie es selber haben), Partnern oder selbst der eigenen Familie gegenüber gezeigt werden könnte.

Folie 5: Technical Background/Vision, USP: Welche innovativen technischen Ansätze werden verfolgt? Was ist die “Special Sauce”, was macht euer Produkt technisch - aber auch in Sachen Going-to-Market einzigartig? Für diese Folie gibt es meiner Ansicht nach keine gute Standardvorlage - manchmal muss man diese Folie auch in zwei Folien unterteilen, z.B. wenn man die derzeitigen Alleinstellungsmerkmale separat von den zukünftigen, technischen oder strategischen Positionierungen halten will. Aber Vorsicht! In jedem Fall so kurz wie möglich halten und technische Details vermeiden. In der Regel sind Investoren keine Techies.

Folie 6: Markt und Marktpotential. Prinzipiell finde ich es immer gut, wenn man seinen Markt in den derzeit (oder demnächst) erreichbaren Markt (addressable Market) und das Marktpotential aufgeteilt. Das Marktpotenzial selber kann auch noch in verschiedene Stufen unterteilt werden. Stufen können z.B. geographisch (DACH Region, US etc.) sein oder Industriesegmente. Außer den Marktzahlen sollte diese Folie auch schon einen Hinweis auf die Going-to-Market Strategie enthalten: Wo ist der Product-market-fit erreicht, wer soll zuerst angesprochen werden? Welche Ereignisse müssen eintreten, um das gesamte Marktpotential auszuschöpfen?

Folie 7: Traction! Egal ob ich als Investor jetzt schon ganz heiß auf das Thema bin oder ob ich noch nicht ganz überzeugt bin, an dieser Stelle erwarte ich eine Art externe Validierung. Im Falle des noch nicht so ganz überzeugten Investors erwarte ich diese Validierung spätestens hier - sonst blättere ich gar nicht mehr weiter. Was ist diese externe Validierung? Es ist die Traktion im Markt, ein Beweis, dass Problem, Produkt und Markt für Personen oder Organisationen außerhalb des Gründer-Teams real ist. Am besten ist hier natürlich, wenn man Nutzerzahlen, Kundenzahlen plus individuelle Kunden präsentiert, die ein Testimonial geben können.

Für pre-revenue Startups ist es noch essentieller, hier eine glaubhafte Validierung zu präsentieren, z.B. potentielle Kunden, potentiellen Partnern - wem auch immer. Gerade für den Fall von pre-revenue Start-ups ist es schwierig, hier verallgemeinern zu wollen, geht einfach in euch und überlegt: “Wer kann meine Idee mit voller Überzeugung vertreten und ist bereit, sie öffentlich bzw. gegenüber einem Investor im Gespräch zu unterstützen?”. Denn wenn der Investor mit dem Pitch Deck durch ist und euer Unternehmen immer noch gut findet, ist der nächste Schritt sowieso, dass er Referenzen haben will, mit denen er oder sie sprechen kann.

Der Aufwand für diese Folie ist nicht zu unterschätzen, denn das Ziel hier ist, die Personen, die ein Testimonial geben sollen mit Photo, ggf. Logo der Organisation und wörtlichem Zitat abzubilden. Sich daran zu wagen, Personen davon zu überzeugen - gerade wenn noch kein Produkt da ist - kostet erst mal eigene Überwindung. Es ist eine Überwindung anzurufen und zu erzählen: “Hey, wir haben da ja diese Idee… blabla... wir brauchen Referenzen… blabla… kannst Du ein Testimonial geben…. ach ja, und können wir das wörtlich abdrucken und könntest Du uns ein Photo von Dir schicken, damit wir das in unsere Investoren-Präsentation einbauen könnten?”. Es bleibt auch eine Überwindung, selbst wenn das Produkt schon im Markt ist und man treue Kunden zu einem Testimonial überreden will. Denkt der Kunde, dem Unternehmen geht das Geld aus? Ist der Kunde tatsächlich so zufrieden, wie man annimmt? Man hatte ja doch schon ein paar Monate keinen direkten Kontakt…

Es gibt Gründer, für die ist dieser Schritt kein großes Ding - z.B. wenn man schon viel Erfahrung im Direktvertrieb hat und einfach weiß, dass man sich auch eine Abfuhr einfangen kann. Aber für viele andere Gründer - ich denke mit Blick auf mich selber besonders an solche mit technischem oder naturwissenschaftlichem Hintergrund - kostet das Überwindung.

Meine Erfahrung ist aber, dass die Überwindung dieser Angst (denn nichts anderes ist das) immer belohnt wird. Immer. Folgende Gründe:

  1. Wenn die Leute, die man um ein Testimonial bittet Kritik üben, ist das in der Regel valide Kritik. Wenn man dieses Feedback ernst nimmt und den Leuten zuhört, ist das der beste Weg, seine Idee und Produkt, aber auch sein Marketing und Vertrieb zu verbessern.
  2. Selbst wenn jemand heftige Kritik äußert, die einem nicht berechtigt erscheint - vielleicht hat die Person die Idee nicht völlig verstanden, hat keine Ahnung von der Technik dahinter usw. - hier ist die Gelegenheit zu üben, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten und das Gespräch trotzdem zu seinen Gunsten zu nutzen: Es macht keinen Sinn, über die Umsetzung zu argumentieren und zu versuchen, seine Sicht der Dinge durchzusetzen. Viel mehr ist es die Gelegenheit, dem Gesprächspartner das Gefühl zu geben, dass er gehört wird, ja möglicherweise das Gefühl zu geben, dass er Recht hat! Es ist die Gelegenheit, eine Beziehung aufzubauen - auf dieser Basis kann man später immer auf den Gesprächspartner zurückkommen und ihn über das Ergebnis zu überzeugen.
  3. Wenn sich eine Person zu einem Testimonial bereit ist, ist der Gewinn nicht nur dieses Testimonial. Man hat jemanden gewonnen, den man weiterhin um Hilfe bitten kann, der weiterhin Feedback geben kann, den man um eine Stellungnahme in einer PR Mitteilung bitten kann, den man bitten kann, das Produkt anderen weiterzuempfehlen. Man hat sich einen “Champion” gebaut.

Fazit: Bei dieser Folie geht es neben Validierung um Vertriebsfähigkeiten: Können diese Gründer eine Beziehung zum Kunden aufbauen? Und im Falle eines pre-revenue Startups, das noch am Produkt baut und für die diese Folie sicher die schwierigste ist, bin ich als Investor nichts anderes als beeindruckt, wenn die Gründer schaffen, für ein nicht-fertiges Produkt Fans zu gewinnen!

Folie 8: Marketing & Vertrieb. Auf dieser Folie wird dargestellt, wie ihr an Leads kommt, welches Pricing diese erwartet wie der Vertriebsprozess grob abläuft. Der Inhalt dieser Folie ist häufig sehr unterschiedlich, was aber immer darin vorkommt, ist eine Darstellung der Preistabelle: Wer muss wieviel für was zahlen? Ich ziehe immer grob die Linie zwischen Vertrieb und Marketing dort, wo der Lead das erste mal mit dem Preis konfrontiert wird. D.h. Marketing liegt stromaufwärts der Preistabelle, dort, wo Interesse bei Leads, also potentiellen Kunden geweckt wird und er am Ende dieses Abschnitts Interesse an dem Produkt bekundet. Grob um die Konfrontation mit dem Preis herum beginnt der Vertrieb. Leads, die nach dieser Konfrontation immer noch Interesse haben, verwandeln sich in Gelegenheiten (Opportunities), d.h. Stromabwärts von der Preistabelle beginnt der Vertrieb.

Für die Folie bedeutet das: Fangt mit dem Pricing in der Mitte an und beschreibt darüber (upstream) und darunter (downstream), wie ihr im Marketing an Leads kommt bzw. Im Vertrieb Gelegenheiten in Kunden verwandelt.

Folie 9: Sales Pipeline. Vorab: Diese Folie kann bei Startups in frühen Phasen durchaus mit Folie 8 kombiniert werden, denn hier geht es darum, wie der derzeitige Status des Vertriebs aussieht. Die beliebteste Darstellung hier ist der Vertriebstrichter mit unterschiedlichen Stufen, die Opportunities durchlaufen, z.B. “Meeting/Webinar” (heißt: persönlicher Kontakt hat stattgefunden), “Free Trial” (heißt: Gelegenheiten probieren Produkt gerade aus),  “Contracting” (heißt: Vertragsverhandlungen finden derzeit statt) und “Won” (heißt: Gewonnene Kunden). Für Startups, die schon einen nennenswerten Vertrieb haben, sollte hier auch unbedingt rein, wie voluminös die derzeitige Pipeline im gesamten und im einzelnen ist. Heißt: Es sollte klar werden, wie viel potentieller Umsatz gerade in der gesamten Pipeline steckt und ggf. auch, wie viel in den einzelnen Stufen (ggf. exklusive der “Won” Stufe, wenn das z.B. schon in der Traction-Folie behandelt wurde). Dann macht es natürlich Sinn, auch anzugeben, wie viele Organisationen im einzelnen, wie die durchschnittliche Abschlusswahrscheinlichkeit pro Stufe ist, sowie wie der gesamte Vertriebszyklus (Tage oder Monate) von erster Stufe bis “Won” dauert. Darüber hinaus kann man noch angeben, wie sich gewonnene Kunden verhalten, wie hoch die Retention und Customer Lifetime Value (CLV) sind.

Bei dieser Folie ist aufgrund der vielen Zahlen Wartungsfreundlichkeit / Maintainability zu beachten, s.a. Kapitel Exkurs 2: Formalien, Tips & Tricks)

Folie 10: Competitive landscape. Einige stellen die Wettbewerber-Folie(n) hinter die Markt-Folien - getreu der alten Businessplan Gliederung, in der Wettbewerber im Kapitel “Markt” mit behandelt werden. Das hat strukturell sicher seine Berechtigung, ich halte jedoch den folgenden Narrativ für besser, der die Wettbewerber nach die eigenen Erfolge setzt: “Das ist das Problem und wir haben die Lösung dazu. Das ist ein super Markt, hier unsere Erfolge und so erzielen wir unsere Erfolge (Marketing & Vertrieb). Natürlich gibt es Wettbewerber und wir sind besser als die aus diesem und jenen Gründen... ”. Dagegen finde ich, dass der Storyline etwas “Dampf” genommen wird, wenn die Wettbewerber vor den eigenen Erfolgen behandelt werden. Das ist vermutlich auch Geschmackssache - an meinen Vorschlägen wie der Wettbewerb präsentiert wird ändert sich nichts.

Die Folie zur Competitive Landscape ist dafür da, einen Überblick über Wettbewerber, ähnlichen, überschneidenden Lösungen usw. darzustellen, während die “Core Competitors” Folie dazu dient, einen Detailvergleich zu liefern. Je nachdem, wie viel andere sich um euch herum tummeln, reicht möglicherweise die eine oder die andere Folie. Gibt es keine sehr ähnlichen Wettbewerber, reicht die “Landscape” Folie, gibt es nur wenige, aber ähnliche anderen, reicht vielleicht die “Core competitors” Folie.

Die Competitive landscape Analyse besteht auf einem Diagramm, auf dessen beiden Achsen bestimmte Produktmerkmale, Marktsegmente usw. aufgetragen werden. Z.B. auf der X-Achse wird die Größe der Firmen aufgetragen (Startups, SME, Enterprise), auf der Y Achse die Value Proposition (Affordable, Easy to use, Integration). Dann werden die Lösungen, die es schon auf den Markt gibt, nach bestmöglicher Einschätzung auf die Diagrammfläche platziert. Obwohl die Competitive Landscape Analysis in einem Diagramm daherkommt, liegt dieser Analyse in den seltensten Fällen eine quantitative Analyse zugrunde, was die ganze Sache einfach gestaltet. Diese Einfachheit macht mich auch zu einem großen Fan dieser Darstellung, nicht, weil ich quantitative Analysen nicht mag, sondern weil man effizient eine gute Übersicht erzeugen kann. Intern kann es sogar Sinn machen, mehrere Positionierungen durchzuspielen, d.h. mehrere Diagramme mit unterschiedlichen Achsen zu erstellen. Für das Pitch Deck würde ich aber nur ein Diagramm auswählen, das sie wichtigste Aussage zur Positionierung enthält.

Folie 11: Core competitors: Hat man über eine aussagekräftige Competitive Landscape Analysis dargestellt, welche Wettbewerber sich am nächsten um einen herum tummeln, ist es in dieser Folie an der Zeit, diese Kernwettbewerber detailliert zu betrachten. Die Darstellung auch hier nach Schema F: Tabelle, pro Wettbewerber eine Reihe, die unterste Reihe für das eigene Produkt/Unternehmen reserviert. Pro Produkt- oder Unternehmensmerkmal eine Spalte, Häkchen bzw. einfache Aussagen eintragen (z.B. geschätzter Umsatz, wichtigster Referenzkune etc.). Keine Doktorarbeit draus machen, jeder Investor weiß, dass diese Betrachtung immer noch recht oberflächlich ist. Ich sehe es manchmal, dass bei dem eigenen Unternehmen Häkchen in Klammern gesetzt werden und dies in einer Legende erklärt wird, z.B. “(✓) = currently being developed”. Meine Meinung dazu: Ich glaube das ist OK, insbesondere bei Early Stage Startups. Wenn maximal ein bis zwei Häkchen geklammert werden und man im Gespräch genau darlegen kann, warum dieses Merkmal wichtig ist, was man besser als Wettbewerber machen will, die z.B. dieses Feature schon haben usw.

Folie 12: Milestones. Im Timeline-Format dargestellt: Was liegt für die nächsten 6 bis 12 Monate an? Welche Features sollen entwickelt werden, welche neuen Marketing-Kanäle eröffnet werden, welcher Umsatz soll erzielt werden, welches Schlüsselpersonal rekrutiert werden? Natürlich sollte nicht jedes Detail aufgeführt werden, sondern nur das Wichtigste. Aus eigener Erfahrung würde ich davon absehen, einen zu genauen Zeitplan darstellen zu wollen, sondern würde prinzipiell quartalsweise gliedern. D.h. die Aussagen sind generell “irgendwann in Quartal X wollen wir Y erreichen” - Im Gespräch kann man dann gerne genauer werden. Ein zu genauer Zeitplan ist erstens zu komplex und besonders in den Frühphasen ändert sich so viel so schnell, dass man mit den Updates der Milestone-Slide gar nicht mehr hinterher kommt.

Tip fürs Layout: Zumindest in Google Slides gibt es tolle Vorlagen für Milestone-Slides, die man dann einfach anpassen kann (Feb 2018: Insert > Diagram > Timeline). Ich bin mir sicher, in PPT gibt’s das auch.

Tip zur Aktualisierung: Wenn man sich schon gegen Mitte oder Ende eines Quartal befindet, einfach erreichte Milestones als “achieved” markieren - egal ob es nun geplante oder ungeplante “Achievements” waren. Das spart einem die Arbeit, in jedem Augenblick in die Zukunft schauen zu müssen und schon Meilensteine abgehakt zu haben macht auch so einen guten Eindruck...

Folie 13: P/L und Key Metrics - History und Forecast. Nach der kurzfristigen 6-12 Monatsbetrachtung hier ein Plan, wie sich das Unternehmen in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es sich in den nächsten 5-7 Jahren in Sachen Umsatz (wichtigste Umsatzkanäle), Kosten und Finanzierungen entwickeln soll - Darstellung als Tabelle, ggf. mit 1-2 Charts. Und genau richtig gelesen: 5-7 Jahre. Grund ist, dass die meisten Investoren im Mitte eine “Holding Period” von 5-7 Jahren haben d.h. im Mittel 5-7 Jahre an einem Unternehmen beteiligt bleiben wollen. Und für diese Zeit muss das Unternehmen “ins Raster” passen, d.h. am besten das Potential für ein Milliarden-Unicorn haben. Natürlich ist alles ab 2-3 Jahren Glaskugel-Schauerei, möglicherweise ist es das sogar schon ab sechs Monaten in der Zukunft. Daher müssen die 5-7 Jahre auch nicht voll durch-modelliert sein, dazu im Teil “Forecast” mehr.

Kurz hier: Ich persönlich halte vom “Aufblasen” von Zahlen auch nicht viel, vor allem die Vorausschau auf das kommende Jahr sollte extrem realistisch sein. Aber für alles weitere gilt es, den bestmöglichen Fall darzustellen, ja sogar zu träumen!

Eure Historie ist auch wichtig, sofern ihr eine habt: Wie war der Umsatz in den letzten Jahren? Wie haben sich die wichtigsten Metrics entwickelt?

Wichtig an dieser Folie ist auch, dass sie 100%ig transparent ist. Ein VC muss ganz einfach rechnen können: Da steht ARR (annual recurring revenue) von 1,25 Mio € und ein avg. ACV (average annual customer value) von 25 T € … Ja, dafür brauchen die 50 Kunden.

Folie 14: Management Team. Eine der wichtigsten Folien im ganzen Deck. Was rein muss:

  1. Photos der Gründer & ggf. des restlichen Management Teams - mehr als zwei bis vier Leute sollten hier nicht auftauchen
  2. Welche Rolle nehmen die Leute ein (Managing Director, CEO, COO…) und was sind die Hauptbetätigungsfelder, die typischen Felder sind (oft kombiniert): Produkt, Technik, Marketing, Sales, Investor Relations, Finanzen
  3. Was bringt die Person für nötige, relevante Erfahrung mit und welche relevante Ausbildung steht im Hintergrund - “ran e-commerce agency for 2y”, “3y strategy consultant at X”, “developed prototype during last 2 years of his studies”, “PhD in Y”

Diese Folie muss Vertrauen und Sympathie für das Management Team wecken: “Wir sind fähige Individuen und eine gute Truppe, wir ergänzen uns, können gut auftreten und sind open-minded”. Gerade der letzte Punkt lässt sich weder in Text noch Bild wirklich darstellen (schreibt bloß nicht drunter “open for new ideas” oder “open minded” oder so), trotzdem sollte die ganze Folie vermitteln, dass hier nicht in selbstverliebte, arrogante Personen investiert werden soll, sondern in solche, mit denen die Investoren gerne zusammen arbeiten können, die sich beraten lassen usw.

Einige raten dazu, diese Folie so früh wie möglich im Deck zu positionieren, manchmal sogar schon als erste Folie überhaupt. Das hat sicherlich seine Berechtigung, v.a. bei Startups in frühen Phasen, wo der größte Wert beim Team liegt. Ich habe gerade in Deutschland aber oft das Feedback gehört, dass “man erstmal wissen will, um was es bei dem Unternehmen geht” und daher zumindest erst mal das Problem und die Lösung voran gestellt.

Folie 15: Investors & Board. Wenn vorhanden, hier eine Darstellung der wichtigsten Investoren (auch mit Photo des Business Angels oder Investment-Managers) und des Beirats - in den allermeisten Fällen gibt es da ja Überschneidungen, der Lead-Investor ist gleichzeitig Chairman of the board etc. Wichtig ist, dass diese Folie auch ein Teil der Team-Folie ist, die eine persönliche Beziehung aufbauen soll. Wenn sich neue Investoren das Deck anschauen und eine Beteiligung erwägen, gehören die Alt-Gesellschafter ja genauso zu den Leuten, mit denen man sich auseinandersetzen muss wie die Gründer. Außerdem kennen sich VCs untereinander, und wenn hier Leute auftauchen, die neuen VCs gut bekannt sind, die einen guten Ruf haben usw. hilft das natürlich.

Bei Pre-seed startups kann man hier auch ein (Scientific-) Advisory board unterbringen. Gut machen sich auch immer Leute, die selber schon erfolgreiche Unternehmer sind, auch wenn das Unternehmen in einem anderen Feld unterwegs sind - dann wissen VCs, dass die Gründer in der Unternehmertätigkeit (Strategie, Führung, Psychologie usw.) gut beraten sind.

Folie 16: Capitalization Table. In frühen Stadien, wenn erst keine oder wenige an dem Unternehmen beteiligt sind, kann man hier die Beteiligung in % einzelnen Gesellschafter aufführen, bei komplexeren Cap Tables unterscheidet man am besten nur die einzelnen Gruppen: Gründer und Management Team, Team, Business Angels, Investors. In dieser Phase gibt es wahrscheinlich schon ein Mitarbeiterbeteiliungsprogramm (in der Regel “Virtual Employee Stock Option Program” VESOP) und ich bin ein großer Fan davon, die “total Ownership” aufzuführen, d.h. in meinen Worten, wie hoch die Beteiligung in Form von richtigen Anteilen plus VESOP-Anteilen ist.

Ich würde hier auf eine zu große Komplexität verzichten, hier reicht die Aussage in Tabellenform, wer bzw. welche Gruppe wie viele Prozente hat.

Folie 17: M&A, VC Transactions & Partnerships. Besonders für Investoren, die nicht mit dem Markt, in dem ihr operiert, vertraut sind, interessiert es mit Sicherheit zu erfahren, welche Dynamiken in Sachen Investitionen, Übernahmen, Zukäufen, Exits usw. darin stattfinden: Hat ein Wettbewerber eine größerer Finanzierungsrunde abgeschlossen? Wer hat wen übernommen? Welches Startup hat ein Exit an wen hingelegt? Oft sind auch Partnerschaften sehr interessant, besonders im Life Science- und Pharma-Bereich, da dies oft der Auftakt eine Auslizenzierung oder einer Übernahme ist.

Darstellung tabellarisch (Ereignisse chronologisch von oben nach unten) oder als Zeitstrahl.

Folie 18: Exit Opportunities. Das ist mit Sicherheit eine umstrittene Folie: Man baut ja ein Unternehmen, um die Welt zu verändern, um den Status quo deutlich zu verändern, um der Weltmarktführer von X zu werden, an die Börse zu gehen - und nicht, um bei der erstbesten Gelegenheit an irgendjemand anderen zu verkaufen. Diese aggressive Einstellung sollte man meiner Ansicht nach auch pflegen und hegen, weil es sich positiv auf alles - eigener Ansporn, Mitarbeiter, Strategie - auswirkt. Aus Investorensicht ist diese Einstellung auch klasse (siehe Folie 12), trotzdem wollen Investoren natürlich sehen, an wen man das Unternehmen auch verkaufen könnte - schlussendlich ist das das ja das Geschäftsmodell von VCs: Geschäftsanteile in einem frühen Stadium kaufen und später mit vielfachem Return wieder verkaufen.

Deshalb sollten auf diese Folie Unternehmen, die möglicherweise irgendwann an einem Kauf eures Unternehmen interessiert sein könnten und natürlich auch, was für diese potentiellen Käufer attraktiv ist, z.B. Eure Technologie, das ein neues Kundensegment gewonnen werden könnte, strategische Gesichtspunkte usw.

Folie 19: Contact. Auf diese Folie kommt einfach nur Eure Kontaktdaten bzw. die Kontaktdaten desjenigen in Eurer Firma, der für die Investorenansprache & Funding zuständig ist. Investoren wollen zwar irgendwann das ganze Team kennenlernen, wichtig aber ist, dass es einen dedizierten Ansprechpartner für das ganze Funding-Thema gibt. Am Anfang ist das im besten Fall der Gründer, der das ganze Thema vorantreibt und der den größten Anteil bei der Gründung hat (ob sich das nun in Geschäftsanteilen niederschlägt oder nicht).

Welche Folien braucht man nun in welcher Phase?

  Pre-Seed Seed Series A
1: Logo & Investor tagline. ja ja ja
2: Executive Summary nein optional ja
3: The Problem ja ja ja
4: The Solution ja ja ja
5: Tech, Vision, USP ja ja ja
6: Markt und Marktpotential ja ja ja
7: Traction! ja ja ja
8: Marketing & Vertrieb ja ja ja
9: Sales Pipeline optional * optional * ja
10: Competitor landscape ** optional optional optional
11: Core competitors ** optional optional optional
12: Milestones ja ja ja
13: P/L und KPIs nein *** optional *** ja
14: Management Team ja ja ja
15: Investors & Board nein optional ja
16: Capitalization Table ja ja ja
17: M&A, VCs, Partnerships nein optional ja
18: Exit Opportunities nein optional ja
19: Contact ja ja ja
Anzahl Folien (+ optionale Folien) 11 (+3) 11 (+8) 17 (+2)

* Sales Pipeline: Je nachdem, was man schon vorweisen kann. Ggf. mit “Marketing & Sales” kombinieren

** Competitor landscape & Core competitors: Eine von beiden Folien auf jeden Fall, optional beide

*** P/L & KPIs: Pre-seed lässt sich das in ein paar Stichworten in “Milestones” abhandeln, ggf. auch für die Seed-Runde

Exkurs 1: Pitch und Pitch deck.

Für mich sind beide etwas völlig anderes. Wenn ich pitche, also vor Leuten präsentiere, enthält meine Präsentation nur einen Teil der Folien, die in unserem Pitch Deck sind. Ich gehe es so an, dass ich diese wichtigen Schlüsselfolien, die ich mit Sicherheit auch immer wieder präsentiere, präsentationsgerecht aufarbeite, d.h. viel Bilder, wenig, großer Text. Zu diesen Folien gehören auf jeden Fall die Folien “Problem”, “Lösung”, “Markt” usw., aber auf keinen Fall die zahlenlastigen Folien wie “P/L und KPIs”, “Cap Table” etc. Für einige Folien habe ich auch Präsentationsversionen, z.B. “Team”. In der Versandversion ist für jedes Teammitglied ein recht ausführlicher Text, in der Präsentationsversion einfach nur Photo und Name, den Rest kann ich erzählen. Manchmal sind die Folien auch etwas abgeändert, vereinfacht oder zusammengefasst.

Natürlich enthält jeder Pitch wiederverwendbare Elemente, aber ich bereite jeden Pitch individuell vor. Hierzu vielleicht mehr in einem weiteren Artikel. Wichtig ist an dieser Stelle, dass es in diesem Artikel um das Pitch Deck geht, die man versendet, nicht um das Pitch Deck, das man präsentiert. Die Versandversion hat für mich auch Priorität, weil man es einfach öfter braucht.

Exkurs 2: Formalien, Tips & Tricks

Schriftgrößen: Nach der 10/20/30 Regel für PowerPoint von Guy Kawasaki sollte eine Präsentation (PPT) maximal 10 Folien enthalten, maximal 20 Minuten dauern und keine Schrift kleiner als 30 Punkt enthalten. Das kann so für den Pitch (s.o.) gelten, aber für die Versandversion des Pitch Decks nicht. Hier meine Faustregel (alles Google Spreadsheet Größen):

  • Call-out lines: 32 (z.B. auf “Problem” Folie)
  • Reguläre Titel: 24. Immer als Action Title, heißt der Titel ist nicht einfach nur eine Kapitelüberschrift (“Marketing & Sales”), sondern unterstreicht die Message: “Strong in Outbound Sales, Growing Inbound.”
  • Bulletpoints: 24.
  • Textboxen, Unterüberschriften usw.: 18.
  • Fließtext: 16
  • Text in Tabellen, Diagrammbeschriftungen usw.: 12

Dann ein paar weitere, kurze Tips:

  • Foliennummern einfügen: Nach dem Erstkontakt und Versenden des Pitch Decks werdet ihr in der Regel erstmal ein längeres Telefongespräch haben, in dem ihr potentielle Investoren durch das Deck führt. Da hilft es ungemein, wenn man auf Foliennummern verweisen kann.
  • Backup Slides: Wann immer ihr ein bestimmtes Thema habt, das nicht in die Standard-Komposition des Pitch Decks passt, aber vielleicht für einen bestimmten Investor interessant sein könnte, könnt Ihr solche Folien immer noch in eine separate “Backup” Sektion am Ende packen.
  • Anpassungsfähigkeit / Maintainability: Zumindest Google Slides erlaubt es, Diagramme und Tabellen einfach inklusive Link zu den Originaldaten per copy & paste in Google Slides einzufügen. Wenn ihr die entsprechenden Original-Spreadsheets sauber dynamisch aufgebaut habt, könnt Ihr z.B. Daten der Sales Pipeline, den Forecast usw. per Klick im Pitch Deck updaten, ohne wieder die Daten hin und herzukopieren, Formatierungen anzupassen usw. Das Gute ist nämlich, dass man nach dem initialen copy & paste das Format in Google Slide anpassen kann (z.B. Schriftgröße), das dann bei einem Update nicht verloren geht - nur die Zahlen ändern sich.

Exkurs 3: Slim Deck oder Teaser Deck.

Das “Slim Deck” oder “Teaser Deck” ist eigentlich ein abgespecktes Pitch Deck. Fast nur eine Company Presentation mit wenigen Zahlen (vor allem keine Unternehmenszahlen / KPIs), die man ohne große Bedenken verschicken kann, wenn z.B. ein Bekannter über eine weitere Ecke einen Investor kennt, man selber aber noch nicht ganz genau weiß, wer sich dahinter verbirgt. Oft bietet das Slim Deck auch eine gute Grundlage für einen Pitch - hier will man nicht tief in KPIs und Details des Finanzplanes einsteigen, man will einfach nur das Unternehmen vorstellen.

Soviel dazu, im nächsten Teil der Serie geht’s dann um den Finanzplan. Denn sobald ihr mit dem Pitch Deck schöne Bilder abgeliefert habt, wollen Investoren wissen, was an Zahlen dahinter steckt…

Ein Überblick über die gesamte Serie:

Disclaimer: Eher ein Überblick darüber, was die Serie mal enthalten soll… da sich die meisten der Texte derzeit in Rohform - oder noch gar nicht! - existieren, behalte ich mir Änderungen natürlich vor. Wenn es ein Thema gibt, über das ich unbedingt schreiben soll, aber ggf. in dieser Liste nicht auftaucht, hinterlasst einfach einen Kommentar!

Teil 1: Material für Investoren: Bereitet Euch vor! Der ungeschönte Überblick, was euch erwartet.

Teil 2: Das Pitch Deck - Euer erster Auftritt vor Investoren

Teil 3: “Danke für das Pitch Deck, schick mir doch mal Euren Finanzplan” - Work in progress ;-)

Teil 4: Marktanalyse - Work in progress ;-)

Teil 5: Wettbewerberanalyse - Work in progress ;-)

Teil 6: Jetzt heißt es “Hosen runterlassen”: Euer Sales Dashboard - Work in progress ;-)

Teil 7: Auf dem Weg zum Deal: Die Cap Table - Work in progress ;-)

Teil 8: Deal oder kein Deal - In jedem Fall war das nur der Anfang - Work in progress ;-)

Referenzen

Bildquelle / Image source: http://www.comicbookfx.com/result.php?tagexact=1&tags=doorbell: “BBRINNG”, Marvel, July 1962 "My Life, My Love!" Lettered by: Artie Simek Written by: unknown Pencilled by: Jack Kirby


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